Jahrbuch 2020
Ergänzungen zum Saltatio-Jahrbuch 2020
Editorial: Stark mit der Vielfalt
Das Editorial musste im gedruckten Jahrbuch leider gekürzt werden. Hier ist das gesamte Interview zu lesen:
Nichts ist langweiliger als alte Nachrichten und einen Bericht von einem Wald-und-Wiesen-Turnier, das vor vier Monaten stattgefunden hat, möchte ich nicht mehr lesen. Aber nochmal durchstöbern, was dieses wirklich außergewöhnliche Jahr 2020 ausgemacht hat - das wäre schon interessant!
Ich mag ein gedrucktes Heft, einen Clubspiegel, so wie er viele Jahrzehnte Tradition im Club Saltatio Hamburg war. Ein Jahrbuch für den Club zum Jahresabschluss, das schwebte mir schon länger als Idee im Kopf herum. Allerdings haben viele Printmedien nicht ohne Grund Absatzprobleme: Das Internet ist mit all seinen Social Media-Kanälen viel schneller als ein gedrucktes Magazin. Und dennoch: Ich glaube, dass dieses Heft anders ist. Dass hierin Informationen stecken, die in dieser Form nicht im Internet zu finden waren. Dass ein Mehrwert für die Leser*innen und unseren Tanzsportverein entsteht. Es ist ein Testballon und ich hoffe auf positives Feedback. Vielleicht wird dieses Jahrbuch dann eine neue Tradition im Club! Allen Mitwirkenden danke ich ganz herzlich für die Unterstützung!
Im Jahrbuch können alle Mitglieder ihren Platz finden. Neue Mitglieder berichten davon, wie sie auf unseren Verein aufmerksam geworden sind. Langjährige Mitglieder berichten von damals und helfen dadurch zu verstehen, warum der Verein so oder so ist. (Veränderungen nicht ausgeschlossen!) Jüngere Mitglieder erfahren Anerkennung für ihre Leistungen in Ausbildung und Studium – neben dem Tanzsport. Ältere Mitglieder werden für ihr stetiges Engagement ausgezeichnet. Und dazwischen wird aus unterschiedlichen Gruppen und von den Menschen unseres Vereins berichtet. Denn was einen Verein ausmacht, ist die Gemeinschaft – schon allein der Wortbedeutung nach: Hier gehen unterschiedliche Menschen vereint ihrem Lieblingssport nach.
In einer Gemeinschaft fühlen sich Menschen stark, geborgen, gebraucht und beschützt. Das wird als wichtig in der schnelllebigen Zeit empfunden, die immer seltener verlässliche Säulen bietet. „Was halten Sie persönlich im Leben für besonders wichtig und erstrebenswert?“ wurden über 23.000 Personen in Deutschland gefragt. In dieser repräsentativen Umfrage aus dem Jahr 2020 war die Top-Antwort mit über 85%: Gute Freunde haben, enge Beziehungen zu anderen Menschen. Gute Freunde wissen sich gegenseitig wertzuschätzen. Unter Freunden fühlt man sich gut aufgehoben. Hier fühlt man sich wahrgenommen. Hier fühlt man sich gesehen. Sichtbarkeit und Anerkennung sind wichtig für soziale Wesen wie uns Menschen.
Als Vorstand wollen wir das ausstrahlen: Wir haben euch gesehen, wir haben euch im Blick – euch alle! Wir versuchen allen Mitgliedern gerecht zu werden und die unterschiedlichen Bedürfnisse zu sehen. Wir sind gewiss nicht perfekt, können wir auch gar nicht sein, da wir eine Vielzahl an Aufgaben haben – und das alles ehrenamtlich neben dem eigentlichen Beruf. Aber wir versuchen unser Bestes zu geben und stetig besser zu werden. Erleichtert wird uns das, wenn sich die Mitglieder einbringen und, wenn nötig, auch mal auf sich aufmerksam machen.
Wir sind als Verein stark, weil wir so unterschiedlich sind. Durch Einzelpaare und Formationen, durch Standard- und Lateintänzer*innen sowie durch Wertungsrichter*innen sind wir auf vielen Turnierflächen vertreten. Der Name „Club Saltatio Hamburg“ ist aus der (norddeutschen) Tanzsportszene nicht wegzudenken. Durch unsere Ehrenamtlichen in den Verbänden können wir unsere Ideen einbringen und die Zukunft des Tanzsports mitgestalten. Durch unsere Helfer*innen bei der Ausrichtung von Turnieren haben wir uns einen exzellenten Ruf als gute Gastgeber*innen erarbeitet. Die Mitglieder unserer Rollstuhltanzgruppe transportieren vielleicht am sichtbarsten die Botschaft: Wir sind offen für alle und für alle da! Zwei Bereiche möchte ich ebenfalls nennen: Kinder- und Jugendgruppen können stressig sein. Die kleinen Mitglieder ticken manchmal einfach anders. Teilweise können sie aber gar nichts dafür: Neues Schuljahr – neuer Stundenplan – Kollision mit der Tanzgruppe. Und dennoch sind sie unsere Zukunft und verdienen unsere Aufmerksamkeit. Erwachsene Breitensportler*innen sind weniger fluktuativ als die Leistungssportler*innen. Sie sind für uns ein stabiles Fundament und ermöglichen dadurch viele Aktionen des Clubs.
Eins ist doch klar: Anerkennung nutzt sich nicht ab. Jemanden wertschätzend wahrzunehmen nutzt sich nicht ab. Weil wir jemandem zu einem Erfolg gratulieren, ist der Erfolg eines anderen nicht weniger wert. Und genau in diesem Sinne sollten wir uns über „die anderen“ und ihre Erfolge freuen, über diejenigen, die auch einen Beitrag dazu leisten, dass der Verein stark aufgestellt ist und ein gutes Image in der Tanzsportwelt hat.
„Die Anderen“ – wer sind das eigentlich? Das sind Clubkameraden, die in einer anderen Gruppe tanzen. Ich muss dabei an die jährlichen Mitgliederversammlungen des Clubs denken. Sie könnten zwar besser besucht sein, allerdings ist das Jammern auf hohem Niveau. Ich freue mich, dass eine große Anzahl an Clubmitgliedern außerhalb ihrer regulären Trainingszeit zusammenkommt, um sich über das vergangene Jahr und neue Ziele zu informieren.
Hin und wieder frage ich bei einzelnen Personen nach, warum sie bei der Mitgliederversammlung nicht dabei waren. Verständlicherweise passt der Termin nicht für Jede*n und muss mit beruflichen oder privaten Verpflichtungen koordiniert werden. Manchmal erhalte ich die Antwort, dass die Versammlung nicht von Interesse sei. Manchmal wird gesagt: „Da wird viel über ‚die Anderen‘ gesprochen. Von meiner Gruppe ist kaum jemand da und ‚die Anderen‘ kenne ich gar nicht.“
Als Vorstandsmitglied habe ich hier ausnahmsweise eine komfortable Situation: Bei Mitgliederversammlungen sitze ich seit vielen Jahren vorn und habe einen guten Blick auf alle Leute, die gekommen sind und ich kenne fast alle Gesichter. Von meinem Platz aus kann ich beobachten, welche Interaktionen stattfinden. Was ich immer wieder beobachte: Ein Tanzpaar – Stammgäste bei Mitgliederversammlungen – sitzt bereits fünf Minuten vor Beginn auf ihren Plätzen und sieht sich um. Sie flüstert ihm: „Ach, guck mal, kennst du die, die da gerade reinkommt?“ Er: „Ich glaube, die gehört zur Gruppe X.“ Sie: „Ach, ist ja toll, dass davon auch jemand da ist!“ Auch so kann Wertschätzung aussehen. Eine Ablehnung unter dem Motto „Was will der denn hier?“ habe ich übrigens noch nie erlebt.
Wer allerdings nicht da ist, kann nicht gesehen werden. Und wer nicht angesprochen wird, nimmt beim nächsten Mal nicht mehr an der Versammlung teil. Aussteigen aus diesem Kreislauf ist die Devise! Als Vorstand versuchen wir das zu berücksichtigen und berichten aus allen Sportgruppen. Damit wollen wir allen Tänzer*innen Aufmerksamkeit schenken. Bitte kommen Sie auch auf uns zu! Und denken Sie daran: Nur weil jemand anderes anerkannt wird, ist Ihre individuelle Leistung nicht weniger wert.
Der Vorstand als Ganzes erfährt einmal im Jahr eine offizielle Wertschätzung. Beim trocken wirkenden Tagesordnungspunkt „Entlastung des Vorstands“ ergreift meist ein langjähriges Vereinsmitglied das Wort und bittet um Zustimmung der Mitglieder. Das entspricht einem „Danke, das habt ihr gut gemacht!“ Für uns im Vorstand ist das ein gutes Gefühl und zeitgleich eine Ermunterung: „Ihr seid auf dem richtigen Weg! Bitte macht weiter so!“ nehmen wir daraus mit. Und zusätzlich freuen wir uns über Ideen, die von den Mitgliedern kommen. Was können wir machen, damit wir als Verein noch besser werden, noch mehr Menschen eine Heimat bieten können und dabei alle Interessen berücksichtigen?
Gemeinsam sind wir so viel stärker! Gehen wir aufeinander zu. Vereint im Club Saltatio Hamburg.
Damals - Aus der Geschichte des Clubs
Das Interview mit Lisa und Peter Meins musste im gedruckten Jahrbuch leider gekürzt werden. Hier ist das gesamte Interview zu lesen:
Am 5. Juni 2010 endete eine Ära: Lisa und Peter Meins, bis dato Sportwartin und Vorsitzender des Clubs, stellten sich nicht zur Wiederwahl in den Vereinsvorstand. Für ihr selbstloses, ehrenamtliches Engagement, das 1974 begann, wurden Lisa und Peter zu Ehrenmitgliedern "ihres" Club Saltatio Hamburg erklärt. Zwei Jahre zuvor wurde ich selbst von den beiden ins Ehrenamt geholt und seitdem verbindet uns eine gute Freundschaft. Ich habe bei Lisa und Peter nachgefragt, wie es ihrem Entschluss kam.
Interview von Tobias Brügmann
Lisa und Peter, wie kam es vor zehn Jahren zu dem Entschluss, dass ihr euch nicht mehr zur Wahl stellen wollt?
Unser Entschluss, im Jahre 2010 nicht noch einmal für den Vorstand des Club Saltatio kandidieren zu wollen, reifte nicht erst im Jahre der Amtsübergabe:
Immerhin lagen zu diesem Zeitpunkt schon nahezu 30 Jahre Mitarbeit im Vorsand und Verantwortungsübernahme von Vorstandsaufgaben hinter uns. Da wir beide uns unseren jeweiligen Aufgaben mit viel Engagement und zeitlichem Einsatz widmeten, gewann der Club Saltatio Hamburg immer mehr die Oberhand vor den Belangen und Wünschen unserer Familie.
Die kräfte- und nervenzährende Zeit nach der Trennung von der HT 16 verlangte dem gesamten Vorstand viel Einsatz ab: Räume, Trainer und neue Mitglieder mussten gefunden und die Finanzen „repariert“werden. Erst in den Jahren 2007 – 2010 hatten wir das Gefühl, dass der Club Saltatio wieder gut aufgestellt war und seine Angebote – wenn auch zögerlich – angenommen wurden..
Nicht viele Vorstandsmitglieder blieben dauerhaft dabei; vor allem Jüngere mussten wegen beruflicher Zwänge nach kurzem Einsatz wieder aufgeben. Es waren aber auch und gerade die jüngeren Mitstreiter in unserer Vorstandsarbeit- dazu zähltest vor allem du, Tobias – die uns Mut machten, die Fortentwicklung unseres Tanzsportclubs in jüngere „Hände und Köpfe“ zu geben.
Unsere Vorgespräche zu unserer letzten Jahresversammlung führten wir auch mit Kerstin, die ihre tanzsportlichen Erfahrungen aus Rostock gemeinsam mit ihrem Freund David mitgebracht hatte. Sie war mutig und bereit, die Führung des Clubs zu übernehmen.
Vor allem Kerstins und deine Bereitschaft, Tobias, weiterhin die Geschicke des Clubs lenken und voranzutreiben zu wollen, bestärkten uns in der Überzeugung, dass ein junges Führungs-gespann unseren Club viel erfolgreicher gestalten würde als wir es tun könnten. Und damit hatten wir – ein Rückblick auf die vergangenen 10 Jahre macht das deutlich – total Recht.
Peter, gab es in deiner langen Amtszeit als Vorsitzender eine besonders schwierige Entscheidung?
Ja, die gab es; und zwar unmittelbar nach meinem Amtsantritt als Nachfolger von Hans Christen, der ja Anfang des Jahres 1992 völlig unerwartet bei einem häuslichen Unfall verstorben war. Für diese Aufgabe konnte ich auf eine bereits zwölfjährige Vorstandstätigkeit im Club zurückgreifen.
Seit 1976 pflegte der Club eine enge Kooperation mit der HT 16 im Volkshaus Berne und im Vereinshaus an der Burgstraße. Tanzsportlerinnen und Tanzsportler beider Vereine profitierten davon. Nach Hans Christens Tod jedoch türmte sich ein finanzielles Desaster auf:
Eine für Schriftverkehr und Mitgliederverwaltung des Clubs in der HT16 Geschäftsstelle tätige Sekretärin sollte nach dreijähriger Bezahlung aus einem staatlichen Förderprogramm für ältere Arbeitnehmerinnen nun Gehalt nach BAT vom Club erhalten.
Ab 1992 sollte – so war mit Hans Christen verabredet - die HT16 für jedes Clubmitglied eine monatliche Pauschalvergütung erhalten.
Für die bei der HT16 als (Trainings-)Tanzsaal 1988 errichtete Halle E waren Zinsen und Tilgung zu erbringen. Die von Hans Christen persönlich gestellten Sicherheiten wurden umgehend von der kreditgebenden Bank vom Club eingefordert mit dem banküblichen Zusatz, bis zu einer erneuten Absicherung nicht über unsere Konten verfügen zu dürfen.
Für das Jahr 1992 konnten diese Belastungen nicht mehr verhindert werden. Aber es konnte gegengesteuert werden.
Gaby Hansen als Schatzmeisterin eröffnete sofort ein Konto bei der Haspa und ließ die anstehenden Mitgliedsbeiträge darüber einziehen.
Wir sprachen der Sekretärin die Kündigung aus und konnten das Arbeitsgericht von der schwierigen wirtschaftlichen Situation des Clubs und der dadurch gegebenen Notwendigkeit zur Kündigung überzeugen.
Wir konnten aufatmen, als der Testamentsvollstrecker im Spätsommer mitteilte, dass im Testament ein Vermächtnis für den Club aufgeführt sei. Die Bank war mit der Abtretung des Auszahlungsanspruchs als Sicherheit zufrieden. Nach Weihnachten wurde der Betrag dann ausgezahlt. Die Gefahr einer Club-Insolvenz war abgewendet.
Doch, wie sollte es weiter gehen?
Unter den Turnierpaaren mit Bezug zum Volkshaus Bene wurde die Loslösung von der HT16 immer lauter gefordert. Einige erinnerten sich an die Zeit vor dem Zusammenschluss. Auch wurde immer deutlicher, dass die HT16 vorwiegend den Breitensport pflegen wollte („Der zweite Weg“). Die Räume sollten gefüllt sein, für intensives Einzelpaartraining oder gar Trainer-Einzelstunden bestand wenig Verständnis.
In einer Saltatio-Mitgliederversammlung im ersten Quartal 1993 wurde der Austritt aus der HT16 im Beisein ihres Geschäftsführers und des Ehrenvorsitzenden intensiv diskutiert und beschlossen, die Zusammenarbeit zum 30. Juni 1993 zu beenden. Der Vorstand hat den Beschluss ausgeführt.
Lisa, als Sportwartin hattest du maßgeblichen Anteil daran, dass ab 2005 eine Lateinsparte aufgebaut wurde. Wie kam es dazu?
Deine Frage suggeriert, dass eine Lateinsparte neu aufgebaut werden musste. Das stimmt nicht ganz. Aber die Lateinsektion „dümpelte“ nicht nur im Club Saltatio, nicht nur im HATV, sondern im gesamten Nordbereich vor sich hin. Die Meisterschafts-Siegertreppchen wurden in den Jahren 2005/2006 teilweise mit N.N. besetzt. Lediglich im Kinder- und Jugendbereich hielt Marlene Schlebusch als wirklich kompetente Lateintrainerin im Saltatio die Stellung. 2004 übergab sie diese Aufgabe an Stanislava Bykova, die mit Kenntnis der russischen Sprache, vor allem für Kinder mit diesem Background interessant war. Marlene Schlebusch hingegen fand in Rostock ein neues Arbeitsfeld.
Der Vorstand war sich darüber einig, das Lateinturniertraing nicht vollständig aufgeben zu wollen. Andreas Kroß und Mark-Stephan Haps schlugen der frisch gewählten Sportwartin vor, den hochklassigen Lateintänzer aus Rostock, David Jühlke, zu kontaktieren. Dieser tanzte damals sehr erfolgreich mit Debbie Seefeldt und war sowohl in dortigen Schulen als auch im Verein als Trainer tätig. Er hatte den Namen „Saltatio“ schon gehört und ließ sich auf eine kurze Versuchsphase ein.
Diese verlief, wie wir alle wissen, zur allseitigen Zufriedenheit. Vor allem die Sportwartin schätzte an ihm, dass er mit gutdurchdachten Unterrichtskonzepten selbst bei schon routinierten Turnierpaaren die Motivation hochhalten konnte. Man merkte seinem Unterricht eine pädagogische Grundlage an. Das war ein ganz großes Plus gegenüber vielen – sehr erfolgreichen – Trainern bundesweit.
Dass Davids Arbeit im Club Saltatio Hamburg außerordentlich erfolgreich war und in unserem norddeutschen Umfeld zu weiteren Einsätzen führte, muss ich nicht erwähnen. Dass sein Einsatz außerdem zur Regeneration einer Lateinformation – zunächst betreut und trainiert von Mark Haps und Katja Böhnke – gelangte, weißt du selbst am Besten.
Aber mit dem Thema „Formationstanzsport“ greifen wir eine umfangreiche und unendliche Geschichte auf, die wir im Zusammenhang mit einer Pandemie besser nicht durchdenken oder analysieren sollten.